Dürfen Grüne Autos mögen?

Die jungen Grünen in Vorarlberg haben sich einen VW-Bus-Oldi gechartert und machen damit eine Wahlkampftour. Das wird nun von einigen Leuten via Leserbrief und social media scharf kritisiert. Auch innerhalb der Grünen hat das Kontroversen ausgelöst.

Der Tenor der öffentlichen Kritik ist eine Attestierung von Unglaubwürdigkeit. Seht her, alles nur leeres Gerede! Die Ökopartei fährt Auto! Der zweite Fokus der Kritik zielt auf das Auto selbst, im Sinne – alte Dreckschleuder satt E-Auto.

Die grünnahe Kritik geht im Grunde in die gleiche Richtung. Bei einigen internen Leuten bezieht sich diese aber nicht so sehr auf die Sache selbst, sondern auf die Sorge, dass die zu erwartende Außenkritik für die Grünen insgesamt schädlich sein könnte.

Jedenfalls wird deutlich, wie politisch schwierig für die Grünen der Umgang mit dem Auto und wie sensibel die Außenwahrnehmung ist. Das geht weit über repräsentative Fragen, wie den Wahlkampfbus, hinaus und hinein in ein Selbstverständnis, bzw. in Überspitzung in die Frage, ob Grüne Autos mögen dürfen.

Das Thema Auto ist nach wie vor eines, das in einer öffentlichen Diskussion kaum rational zu führen ist. Wiewohl jeder weiß, dass wir die Mobilität neu regeln müssen. Völlig klar, dass der motorisierte Individualverkehr, also das Auto, an Stellenwert verlieren wird. Der Benzinmotor wird in Bälde ausgestorben sein. Bei vielen AutofahrerInnen herrscht Verlustangst, vor allem bei solchen, die sich mit ihrem Hauptverkehrsmittel identifizieren oder für sich keine andere Möglichkeit der Mobilität erkennen können.
Überbordende Emotionen sind aber nur möglich, wenn der Gegenstand der Auseinandersetzung selbst mit Emotionen beladen, also mit Gefühlen belegt ist. Und das trifft wohl kaum auf etwas mehr zu wie auf das Auto.

Als politische Inkarnation für die Ächtung des Autos werden die Grünen identifiziert. Die Grünen wollen das Autofahren verbieten! Und seht her, die kriegen das selber nicht auf die Reihe, fahren mit einem alten Stinkkübel herum! Ja, ich verstehe deren Befriedigung. Es nimmt eine Last von ihnen. Die jungen Grünen tun diesen Haltungen einen Gefallen. Sie müssten ihnen eigentlich dankbar sein.

Die andere Seite ist das Innere der Grünen (Grüne sind hier solche, die überzeugt sind, dass Autofahren die Ausnahme sein sollte) selbst. Welche Haltung darf ich zu meinem Auto haben? Darf ich überhaupt eines besitzen? Müsste ich es nicht wenigstens teilen? Darf ich nur dann fahren, wenn ich anders wirklich nicht nach B komme? Eine Tücke dieser Imperative ist, dass sie niemand explizit vorgibt. Es entwickelt sich viel mehr eine gesellschaftliche Haltung, ein Zeitgeist. Besonders stark natürlich in der eigenen Bezugsgruppe, in der immer mehr Akteure eine autokritische Haltung entwickeln.

Im Wahlprogramm der Grünen Vorarlberg heißt es: „Mobilität soll menschengerecht und ökologisch sein, allen offen stehen, sozial verträglich, leistbar und nicht einseitig auf das Auto fixiert sein. Unser Motto lautet : Wo immer es geht zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Öffentlichen Verkehr, so es nicht anders geht, mit dem Auto!“ In diesem Sinne wäre die Lösung simpel. Verkehrsmittel sind Mittel zur Mobilität. Punkt. Also eine Haltung der Vernunft, mithin auf den Zweck hin orientiert. Nur, das ist halt Theorie. Gerade in einer Phase, in der das Mobilitätssystem im Umbruch ist, finden Kämpfe um Raum, Macht und Status statt. Es wird nicht mehr lange dauern, ein paar Jahrzehnte, und niemand wird sich mehr vorstellen können, dass das Autofahren, so wie wir es heute kennen, einmal dermaßen emotional diskutiert wurde.
Politisch gesehen, erachte ich es selbst als notwendig, gesellschaftspolitische Haltungen auch zu leben, oder menschlicher, sich darum aktiv zu bemühen. Nicht nur weil eine öffentliche Erwartungshaltung da ist, sondern weil es nicht möglich ist, eine klar an Nachhaltigkeitskriterien orientierte Verkehrspolitik zu betreiben wenn man das selber nicht verinnerlicht hat, nicht wirklich im Kern verstehen und erleben kann um was es geht. So wie wir fahren, so planen wir!
Und ja, wir können die symbolische Überfrachtung beklagen. Aber erstens ist es wie es ist, zweitens ist es gut so, dass es so ist. Es gibt Erwartungshaltungen gegenüber den Grünen! Das ist eine Auszeichnung! Keine andere Partei wird mit derart hohen Ansprüchen beladen. Das ist schrecklich mühsam, überfordernd und belastend. Trotzdem ist es ein Erfolg, dass es so ist. Ich möchte eigentlich nicht mit keinen oder bescheidenen Erwartungshaltungen konfrontiert sein.

Was ist jetzt mit dem Wahlkampfbus? Wäre es besser gewesen, den Stand, die Leute und das ganze Zeug, das man halt braucht für einen Informationsstand, mit einem Elektrobus zu chauffieren? War es ein Fehler, diesen Bus zu chartern und öffentlich zu machen? Woran misst man das? Wollten sie vielleicht zeigen, dass sie auch Menschen sind, nicht immer todlangweilig konsequent? He, schaut her, wir machen wirklich viel, engagieren uns in der Freizeit für eine nachhaltige Entwicklung, stehen für einen anderen Weg! Aber wir finden dieses Auto einfach cool!

Ich meine, vieles der Aufregung ist geheuchelt und selbstgenügsam. Die einen werfen den anderen vor, was sie selber nicht auf die Reihe bekommen. Die anderen einen verlangen von den anderen, dass sie so tun wie sie selbst tun. Es geht diesem Teil der KritikerInnen nicht darum, das Gesamte zu erfassen und eine Einzelaktion in einem Handlungskomplex zu bewerten. Es geht dabei um verdeckte Legitimation eigenen Handelns. Ich vermute, da ist niemand wirklich gefeit davor, jedenfalls nicht immer. Ich kann zum Beispiel richtig zornig werden, wenn ich ein benzinsaufendes SUV in der Stadt herumfahren sehe. Weil es wirklich ein Symbol ist für „ich scheiß mich um gar nichts und es ist mein gutes Recht!“ – oder? Gestört hat nur, dass neulich ausgerechnet so einer abgebremst hat und mich mit dem Fahrrad in eine Straße einbiegen ließ.

Ich bin nicht der Richter. Es ist ihre Sache (ich bin wieder beim Bus). Ich finde, es muss Platz haben. Für mich passt das Gesamtbild. Ich selbst hätte es nicht gemacht, das ist nicht besser und nicht schlechter. Es ist meine Sache.