Der Eiertanz um die CETA-Zustimmung

Immerhin, man kann sich nicht beklagen, dass das Freihandelsabkommen CETA nicht medial präsent wäre. Das hätte man sich zwei Jahre früher gewünscht. Die Kampagnenmaschinerie ist seit Monaten voll angefahren. Die Zustimmung zu CETA wurde quasi zu einer Frage der Staatsräson und der Zuverlässigkeit Österreichs stilisiert. Vor allem getrieben durch die Wirtschaftsverbände.

Der Druck auf Zustimmung ist hoch. Nicht nur aus dem eigenen Land sondern von einer Reihe europäischer Staaten. Trotzdem war es bis vor wenigen Wochen noch offen ob eine Zustimmung zustande kommen wird. In letzter Sekunde ist man zur Rettung von CETA mit einem Zusatzprotokoll aufgefahren. Nur, dieses Protokoll räumt eigentlich, wie versprochen, nicht Zweifel aus, sondern wiederholt im wesentlichen was eh schon im Abkommen steht. Die wirklich kritischen Punkte in CETA – wie etwa die Schiedsgerichtsbarkeit oder auch der gemischte Rat – bleiben trotz Beipackzettel. Abgesehen davon, ist die Rechtswirksamkeit bzw. Rechtsverbindlichkeit zumindest fraglich. Alleine das wäre schon ein Grund aus dem Zeitplan auszuscheren, nämlich bevor nicht wirklich geklärt worden ist, welchen Rechtsstatus das Zusatzdokument nun hat.

Kern auf Schlingerkurs

In unseren Breiten hat sich Kanzler Kern vor ein paar Monaten weit hinausgelehnt. Seine eigenen Mitglieder haben sich in einer Mitgliederbefragung – mit suggestiv (also gewollt lenkender) Fragestellung – klar für eine Ablehnung ausgesprochen. Damit hat der Schlingerkurs Kerns begonnen. Dankbar ist er auf das Zusatzprotokoll aufgesprungen. Der Koalitionspartner ÖVP hat die Koalitionsrute ins Fenster gestellt. Kern hat in den letzten Wochen wohl so manchen Industriefunktionär am Telefon gehabt. Gemündet hat das nun in eine Zustimmung, wiewohl geknüpft an Bedingungen, aber ohne wirklich zu sagen, wie diese erfüllt werden sollen.

Trotzdem, fairerweise kann man CETA Kern nicht in die Schuhe schieben. Nur, er hat sich aber quasi als Retter mit dem dicken Rettungsring aufgespielt, geworden ist es ein Strohhalm.

Die ÖVP war von Anfang an für CETA und TTIP. Das ging sogar soweit, dass Mitterlehner in Brüssel andere Positionen vertrat als zu Hause Regierungslinie war. Nachdem er im Sommer erkannt hat, dass TTIP auf dem Totenbett liegt, hat man sich in Eile davon distanziert, wohl um glaubwürdiger zu erscheinen nun umso mehr auf CETA zu setzen. Schließlich sei CETA etwas grundlegend anderes als TTIP.

Der totgeschwiegene Beschluss der Landeshauptleute

Eine Facette der Geschichte blieb meines Erachtens allzu unbemerkt und undiskutiert. Die Landeshauptleute (mehrheitlich ÖVP) haben in ihrer Konferenz am 11. Mai einen überraschenden – und einstimmigen – Beschluss zu CETA gefasst. Dieser ist erstaunlich klar. Beispiele zu den Forderungen sind: Keinerlei Verankerung von Schiedsgerichten, keinesfalls darf es zu Zahlungsverpflichtungen von Mitgliedstaaten kommen, es soll eine Positivlistenansatz verfolgt werden, es dürfe keine Schiedsverfahren gegen Staaten geben und ebenso keine vorläufige Anwendung.

Abschließend wird die Bundesregierung aufgefordert, CETA nicht zuzustimmen, solange diese Forderungen nicht erfüllt sind. Also die Bilanz wäre jedenfalls eindeutig. Es ist absolut klar, dass CETA, wie es nun vorliegt, reihenweise gegen die Forderungen der Landeshauptleute verstößt.

Nun, hat aber jemand etwas von den Landeshauptleuten gehört? Eine laute Stille legte sich über die Landeshauptstädte. Was soll man davon halten? Hat sich da möglicherweise auf Druck aus den Landtagen (eine Reihe von Landtagen haben ablehnende Entschließungen zu CETA und TTIP gefasst) und der Bevölkerung, die Landeshauptleute zu einem Beschluss hinreißen lassen, den sie in Wahrheit gar nicht unterstützen? Warum schreit denn nun kein einziger Landeshauptmann auf? Viel Deutungsspielraum gibt es eigentlich nicht.

Eine besondere Note könnte dieser Beschluss noch auf Basis des Artikel 23d Absatz 2 der Bundesverfassung bekommen. Dieser lautet „Haben die Länder eine einheitliche Stellungnahme zu einem Vorhaben erstattet, das Angelegenheiten betrifft, in denen die Gesetzgebung Landessache ist, so darf der Bund bei Verhandlungen und Abstimmungen in der Europäischen Union nur aus zwingenden integrations- und außenpolitischen Gründen von dieser Stellungnahme abweichen. Der Bund hat den Ländern diese Gründe unverzüglich mitzuteilen“.

Gut, das wurde natürlich noch nicht ausjudiziert, aber da ließe sich wohl die Auffassung ableiten, dass der LH-Beschluss zu CETA die Bundesregierung bindet, sprich sie zur Verweigerung der Zustimmung zum Vertrag zwingt. Denn, natürlich enthält CETA Passagen die auch in die Kompetenzen der Länder eingreifen (können).

Es bleibt bis auf weiteres spannend. Alles deutet in Richtung CETA wird kommen, aber gegessen ist das noch nicht.