Bei den Kontroversen um Ceta und TTIP geht es um Richtungsentscheidungen

Die intensive, kontrovers und emotionale geführte Debatte um die sogenannten Freihandelsabkommen Ceta und TTIP werden über weite Strecken über „technische“ Fragen geführt. Dazu gehören Fragen des Investorenschutzes, des Umgangs mit Standards, der regulatorischen Kooperation, des Markenschutzes, Positiv- und Negativlisten, Status von Leistungen der Daseinsvorsorge und vieles mehr. Das überdeckt, dass es um grundlegende Fragen der wirtschafts- und demokratiepolitischen Ausrichtung geht.

Die Argumente der Befürworter

Die Befürworter verweisen in ihrer Argumentationslinie auf zahllose bereits bestehende Abkommen ohne dass die Welt untergegangen sei. Sie spielen die Bedeutung und den Umfang dieser neuen Generation von wirklich großen und umfassenden Abkommen systematisch herunter. Sie rufen, man solle doch den Verhandlern vertrauen.

Eine Konstante der Befürworter ist die ständige Unterstellung von Unsachlichkeit der Kritiker. So sprechen Wirtschaftsverbände und auch die Kommission ganz bewusst von Mythen gegen Ceta und TTIP.

Das sind letztlich aber alles Nebenschauplätze. Es geht um ein wirtschaftspolitisches Grundprinzip. Wir bräuchten mehr Freihandel um Wohlstand zu sichern. Europa – und Österreich – lebe von Exporten, da müssen Märkte weiter geöffnet werden. Man müsse ein verlässlicher Partner sein. Der Wirtschaftsstandort hänge davon ab.

Die Befürworter haben verstanden, dass es in der Auseinandersetzung um genau diese Frage geht. Genau deshalb ist ihr Kampf so dogmatisch. Eben weil es um ein Dogma geht. Sie spüren, dass viel auf dem Spiel steht. Ihr Weltbild.

Und die Grundidee von Ceta und TTIP ist eben eine weitere Liberalisierung der Wirtschaft. Ein weiteres Verschieben des Machtgefüges zu Konzernen und Verbänden. Damit verbunden eine Schwächung des Staates, des Primats der Politik. Die Regierungen haben sich ganz und gar der Steigerung des Bruttoinlandsproduktes verschreiben. Sie argumentieren, dass nur dies zu – noch mehr – Wohlstand führe. Man müsse also nur das Wachstum schüren, was mit den Abkommen beabsichtigt wird – und schon würden, über den Umweg von erhöhten Exportquoten, mehr Arbeitsplätze und Einkommen geschaffen.

Je mehr die Wirtschaft kriselt, desto verzweifelter wird an diesem wirtschaftspolitischen Weltbild festgehalten. Auf diesem Weg ist CETA aber nur ein erster Schritt. Ökonomisch ist es relativ unwichtig, aber von hoher Symbolkraft und hoher Präjudiz. Präjudiz für andere Abkommen, zum Beispiel mit China. Das wird auch recht offen zugegeben. Bekommen wir die Schiedsgerichte in Ceta nicht durch, wie sollen wir das dann gegenüber China argumentieren? Sollen wir ihnen sagen, dass wir in ihre Gerichtsbarkeit kein Vertrauen haben?

An den skizzierten Grundfragen setzt die Kritik an

Die ausschließliche Konzentration auf ökonomisches Wachstum ist in einer Sackgasse. Das Versprechen von mehr Wohlstand und mehr Gerechtigkeit durch Wachstum hält nicht mehr. Dieses Denken hat uns in der Vergangenheit tatsächlich einen hohen materiellen Wohlstand gebracht und in Folge sozialstaatliche Möglichkeiten eröffnet. Heute sehen wir aber auch, dass es riesige ökologische und globale soziale Probleme mit sich gebracht hat, die neue Zugänge erfordern.

Die Globalisierung – im Sinne einer umfassenden Marktliberalisierung – hat Entscheidungsmechanismen abstrahiert und entrückt. Produktionsketten sind internationalisiert und nicht mehr nachvollziehbar. Das ist für viele weder verstehbar noch kontrollierbar. Das schafft zunehmend Skepsis.

Einen wesentlichen Beitrag zum Widerstand hat die Intransparenz des gesamten Prozesses geleistet. Abkommen, die tief in das Wirtschaftsgefüge und Entscheidungsabläufe eingreifen, werden hinter verschlossenen Türen verhandelt. Man sagt uns, wartet bis es fertig ist, dann könnt ihr darüber urteilen. Das glaubt niemand mehr. Danach werden Fakten einfach geschaffen sein. Da hilft es jetzt auch nicht mehr, wenn die eine oder andere Kommunikationsmaßnahme gesetzt wird. Das Vertrauen ist nicht mehr da.

Nicht ob Handel, sondern wie

Das ganze ist, wie von den Befürwortern behauptet, keine Frage ob überhaupt noch Handel

betrieben werden soll. Handel ist selbstverständlich. Die Frage ist wie! Nach welchen Prinzipien? Die Frage ist, welche Werte Europa einbringt. Ein Europa, das sich seiner humanistischen Tradition rühmt und durch seine – noch gar nicht alte – Kolonisationsgeschichte eine besondere Verantwortung trägt.

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